Archivmeldung

Der „Kunstpreis Osnabrück 2024“ geht an Kati Gausmann

Am 26. April wurde zum fünften Mal der KUNSTPREIS OSNABRÜCK verliehen. Die Jury vergab den mit 10.000 Euro dotierten Hauptpreis an Kati Gausmann. Der Förderpreis in Höhe von 2.000 Euro wurde an Mntuwabantu Mtshiselwa verliehen. Zudem ehrte die Jury die Arbeit des Künstlers Paul Wessler mit einer lobenden Erwähnung.

Die Begründungen der Jury:

Hauptpreis: Kati Gausmann

In der Ausstellung begegnet den Besuchenden ein Kunstwerk, gefertigt in Graphit, das direkt auf eine Wand gezeichnet wurde. Von weitem ist eine große ellipsenartige Form erkennbar, ihre Binnengestaltung ist kleinteilig und detailreich; aus der Nähe sind ineinander verwobene und verschlungene zarte Linien zu erkennen. Nur aus der Ferne wird es möglich, zu erahnen, dass sich um ein gezeichnetes Bild der Abstraktion einer Landschaft handeln könnte. Es wird deutlich, dass die Summe aller kleinen gezeichneten Elemente das gesamte Bild ausmachen. Viele kleine Mikrokosmen ergeben einen Makrokosmos – die Erde hat im biologischen Sinn einen Körper, der durch schwierige physiologische Vorgänge am Leben erhalten wird. Dieser Gedanke wird vor allem im Hinblick auf den Titel des Werks „Drift“ deutlich, denn er verweist auf das den Schichten der Erde ureigene Phänomen der Kontinentaldrift. 

Bereits im 18. und 19. Jahrhundert war eine Kontinentalverschiebung als die langsame Bewegung, Aufspaltung und Vereinigung von Kontinenten diskutiert worden, aber erst die Erkenntnisse des deutschen Physikers, Meteorologen und Polarforschers Alfred Wegener (1880 bis 1930) zu geodynamischen Prozessen konnten die Theorie der Kontinentaldrift etablieren. Sie löste den Fixismus, also die Vorstellung der festen Verbindung der Erdkruste mit dem Untergrund endgültig durch die Plattentektonik ab. 

Ergänzend zu der großen Zeichnung auf der Wand erzählen zwei teilweise in Frottagetechnik mit Graphit auf Steinpapier entstandene kleinere, gerahmte Arbeiten von diesem damals bahnbrechenden Phänomen – denn auch sie tragen den Titel „Drift“. Denn genau auf Beobachtungen und Abdrücke auf Papier dieser Kontinentaldrift – teilweise an Orten hoch im Norden – basieren die Werke auf Papier. 

Die Künstlerin, Kati Gausmann, die die Arbeiten gefertigt hat, betreibt bereits seit vielen Jahren so etwas wie Feldforschung, indem sie sich wieder und wieder in die raue Landschaft von Island – genau in die isländischen Ostfjords und auf die Reykjanes Halbinsel - begibt, denn aufgrund geringer Vegetation und Stein- und felsenreicher Landschaft dort wird der Kontinentaldrift sowohl visuell als auch körperlich spürbar. Indem sie mit den Spuren dieser Erdschichtenverschiebung arbeitet und direkt vor Ort mittels der Technik der Frottage einen negativen Abdruck der realen Steine oder des Felsens fertigt, vermitteln die derart entstehenden Kunstwerke einen plastischen Eindruck von der Faszination dieses Jahrhunderte alten Naturphänomens. 

Hiermit einhergehend deutet das große, direkt auf die Wand gezeichnete Kunstwerk auf die geringe Größe des Menschen angesichts dieser ihn überwältigen Ereignisse. Oder, um es mit den Worten der Künstlerin selbst zu formulieren: 

In welcher Relation finde ich mich und mein menschliches Maß in diesen weltumspannenden und seit Jahrmilliarden andauernden Ereignissen? 

Die beschriebenen künstlerischen Arbeiten formulieren hierüber hinaus – in den aktuellen Zeiten des Klimawandels – ein Plädoyer für einen respektvollen, gleichberechtigten und umsichtigen Umgang mit der Natur – sowohl in Bezug auf die Landschaft als auch die Tier- und Pflanzenwelt.

Förderpreis: Mntuwabantu Mtshiselwa

I Am My Ancestors Wildest Dreams. Gathering of Ancestors Spirits – so der Titel der formal und inhaltlich ineinandergreifenden Kunstwerke. 

Ich bin die wildesten Träume meiner Vorfahren. Versammlung der Geister der Vorfahren.

Das zweiteilige Kunstwerk erzählt auf eindringliche Art und Weise von einem südafrikanischen Ritual, das Ahnen dazu aufruft, entrissene Seelen in ihre afrikanische Heimat zurückzubringen. Ebenso soll der Kontinent Afrika von Geistern befreit werden, die das spirituelle Erbe dieses Kontinents nachhaltig gestört haben. 

Bereits seit vielen Jahren wird Afrika seines kulturellen Erbes beraubt, verursacht durch westliche Kolonialherrschaft über eine lange Zeit. Kulturelle Bräuche und Traditionen wurden unterdrückt, Afrikaner*innen mussten weißen Familien dienen und auf großen Plantagen arbeiten, die diese besaßen. 

Im Zuge der Kolonialzeit wurden zahlreiche Artefakte geraubt und in sogenannten „Völkerkundlichen Museen“ ausgestellt und häufig einseitig - da „fremde“ Kulturen bloßstellend - ungenau und undifferenziert vermittelt. 

Viele Artefakte aus ursprünglich indigenem Besitz symbolisieren hingegen die Identität und das Erbe afrikanischer Völker. 

Auch wenn bereits seit mehreren Jahren „Restitution“ erfolgt, bereits mehrere Artefakte ihren rechtmäßigen Besitzern zurückgegeben wurden und Sammlungen indigener Völker zunehmend menschenwürdiger vermittelt werden, bleibt noch viel zu tun, um die angetastete Würde vieler Menschen zu heilen und ihnen gegenüber zu signalisieren, dass ihre Kultur anerkannt und als der westlichen gegenüber ebenbürtig ist 

Hierfür ein Zeichen zu setzen und darauf aufmerksam zu machen, darin besteht ein Anspruch der künstlerischen Arbeit von dem Künstler Mntuwabantu Mtshiselwa.

Lobende Erwähnung: Paul Wessler

Der Künstler Paul Wessler formuliert mit seinen drei Kunstwerken Fragen nach der Möglichkeit von Utopie heute und scheint sagen zu wollen, dass diese lediglich in fragmentarischer Form möglich sein kann. Hierüber zu diskutieren, abzuwägen, alternative Lebensformen und Denkweisen zu entwickeln und dann vielleicht zu dem Schluss zu kommen, dass aktuell lediglich „Fragmente einer Utopie“ übrig sind – dazu regen die Werke von Paul Wessler an. 

Sowohl die überaus kluge und handwerklich gelungene künstlerische Arbeit einhergehend mit dem erläuterten zeitgenössischen Inhalt die Jury dazu bewogen Paul Wessler eine lobende Erwähnung auszusprechen. 

Die Jury

  • Meike Behm, Direktorin der Kunsthalle Lingen 
  • Dr. Ulrike Hamm, Vorsitzende des Vorstands des Museums- und Kunstvereins Osnabrück
  • Prof. Dr. Wulf Herzogenrath, Direktor der Sektion Bildende Kunst der Akademie der Künste in Berlin
  • Prof. Dr. Barbara Kaesbohrer, Professorin für zeitbasierte Kunst an der Universität Osnabrück 
  • Nils-Arne Kässens, Direktor des Museumsquartiers Osnabrück

Der KUNSTPREIS OSNABRÜCK für regionale Kunst wurde vom Museums- und Kunstverein Osnabrück e. V. (MuK) eingerichtet und wird maßgeblich von der Sievert Stiftung für Wissenschaft und Kultur gefördert. In diesem Jahr wurde der Preis zum fünften Mal vergeben. Es haben sich 156 Künstlerinnen und Künstler beworben, 14 von ihnen wurden für den „Kunstpreis Osnabrück 2024“ nominiert. Neben den Gewinnern waren das:

Jona Bundschuh, Martin Collmann, Helga Duwendag-Strecker , Nikolas Klemme, Suraj Natarajaa, Nadia Pereira Benavente, Aaron Rahe, Mariella Rusch, Konstantin Sauer, Jakob Schöning, Paul Wessler und Polina Zinoveeva.

Der KUNSTPREIS OSNABRÜCK ist 2016 eingerichtet worden. Zu sehen sind in diesem Jahr spannende künstlerische Positionen aus den Bereichen Malerei, Zeichnung, Bildhauerei, Objektkunst, Installation und Fotografie. Kuratoren:innen der Ausstellung sind Dr. Ulrike Hamm, Vorsitzende des Museums- und Kunstvereins Osnabrück und Nils-Arne-Kässens, Direktor des Museumsquartiers Osnabrück.

Die Kunstpreis-Ausstellung läuft bis zum 26. Mai 2024. Die Finalistinnen und Finalisten werden in einem Katalog vorgestellt.

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