Dabei ist der Einsatz inzwischen längst alltäglich: Nach den Worten von Schakaki, der seit 2013 mit dem robotergestützten „da Vinci“-System operiert und allein über 1000 Eingriffe damit durchgeführt hat, wird in der Klinik für Urologie und Kinderurologie die überwiegende Mehrzahl aller früher „offen“ durchgeführten Eingriffe mit dieser technischen Unterstützung durchgeführt. So erfolgen 97 % aller Nierenoperationen und sämtliche Prostataoperationen heute im Klinikum minimalinvasiv. „Weltweit startet bereits alle 19,8 Sekunden eine roboterassistierte Operation und der Anteil wird auch in anderen Fachgebieten künftig deutlich weiter steigen, weil es mit so vielen Vorteilen für den Patienten verbunden ist“, sagt Schakaki.
Das Klinikum Osnabrück hat jetzt aufgerüstet: Das 2011 angeschaffte „da Vinci“-Roboterassistenzsystem der Serie „Si“ wurde durch ein Modell der neuesten Generation, den „Xi“ ersetzt. Das zwei Mio. Euro teure Gerät verbessert die Einsatzmöglichkeiten noch weiter, war aber primär als Ersatzbeschaffung erforderlich, da demnächst die Bereitstellung von Wechselinstrumenten und der Service für den Vorgänger auslaufen. Größter Vorteil des „Xi“-Modells ist es, dass sich die vier jetzt deutlich schlankeren Instrumentenarme, die der Operateur von zwei Handgriffen an einer Bedienungskonsole steuert, von oben und nicht mehr von der Seite auf den Patienten zubewegen, so dass mehr Bewegungsspielraum besteht und mehr Körperbereiche erreicht werden können.
Auch die optischen Systeme haben sich noch weiter verbessert. Aktuell wird das „Xi“-Modell mit einer zweiten Steuerkonsole betrieben, was die Ausbildungs- und Trainingsmöglichkeiten mit einem roboterassistierten System im Klinikum verbessert. „Bisher operieren bei uns in der Urologie vorwiegend Dr. Schakaki und ich damit“, so Prof. van Ahlen. „Aber natürlich wollen und müssen wir künftig vermehrt Kollegen aus unserem eigenen Team schulen. Darüber hinaus kam das System bislang vorwiegend bei uns in der Urologie zum Einsatz, soll nun aber auch für gynäkologische Eingriffe oder in der Allgemein- und Viszeralchirurgie bei onkologischen Operationen genutzt werden.“
Wie van Ahlen und Schakaki betonen, sind es keinesfalls nur die Operateure und ihr verlängerter Arm, die für erfolgreiche Eingriffe mit dem System erforderlich sind. „Es ist, wie immer im Operationssaal, eine Teamleistung, die besondere Anforderungen an die Anästhesie stellt und bei der es in besonderem Maße auch auf die OP-Pflege ankommt. Bei allen muss jeder Handgriff sitzen und sie müssen mit den Abläufen und dem besonderen Aufbau des Systems im Operationssaal vertraut sein“, so van Ahlen.
Dabei besteht das „da Vinci“-System aus drei Komponenten: dem fahrbaren „Operationsroboter“ mit seinen vier Armen, der auch als Patientenwagen bezeichnet wird, einem ebenfalls beweglichen Videosystemwagen mit der Technik für die Übertragung der Bildinformationen aus den beiden Steuerkonsolen, der zentralen Rechnereinheit und unterschiedlichen Hilfsaggregaten. Die Operateure selber sitzen an der Konsole, blicken wie mit einem Fernglas durch ein duales Linsensystem, das ein dreidimensionales, stufenlos bis zu zehnfach vergrößertes HD-Bild generiert. Von hier führt der Operateur mithilfe von Handgriffen die Roboterarme mit den verschiedenen Instrumenten.
Wie die Mediziner betonen, sind es aber natürlich weiter ausschließlich die Ärzte, die den Eingriff durchführen und nicht etwa der Roboter. „Letztlich ist es nur eine Art ,Fernsteuerung‘ für die laparoskopischen Instrumente, die an den Armen angebracht sind“. „Sie lassen sich so wesentlich präziser und freier als rein manuell bewegen, so dass wir einen besseren Zugang zum Operationsgebiet erhalten.“ Es sei auch ein großer Vorteil, dass die Ärzte bei den teils bis zu sechs Stunden langen Eingriffen sitzen könnten und nicht stehen oder – wie vielfach erforderlich – dabei noch eine schiefe Haltung einnehmen müssten. „Und es liegt eine zusätzliche Sicherheit darin, dass das System jede Erschütterung und jedes Zittern ausgleicht. Der wesentlichste Vorzug liegt aber vielleicht darin, dass wir durch die variable Vergrößerung und die immer perfekte Ausleuchtung auch tief im Körperinneren noch präziser und schonender operieren können. So ist es mit neuen Techniken sogar möglich, die Durchblutung des Gewebes sichtbar zu machen und so einerseits Blutgefäße gezielt zu schonen und gleichzeitig noch intraoperativ zu prüfen, ob das verbliebene Gewebe nach Entfernung z.B. eines Tumors noch ausreichend durchblutet ist.
Wie van Ahlen sagt, erlaubt die Technik eine Präzision, die in der konventionellen minimalinvasiven Chirurgie nicht zu erreichen ist. „Schlüssellochoperationen sind immer schonender – aber mithilfe des Assistenzsystems erleiden Patienten bei diesen Eigriffen noch weniger Blutverlust, haben weniger postoperative Schmerzen, kommen wesentlich schneller wieder auf die Beine und die Krankenhausaufenthalte verkürzen sich, heute in Zeiten ständiger Bettenknappheit im Krankenhaus auch ein wichtiger Faktor, der die Anschaffung eines so teuren Gerätes auch aus ökonomischer Sicht rechtfertigen lässt “, so der Chefarzt. „Für uns besonders wichtig ist es aber natürlich primär, dass beispielsweise ein Tumor so sicher und schonend wie irgend möglich entfernt wird und das lässt sich mit solchen roboterassistierten Systemen bei minimalinvasiven Eingriffen in einer nie dagewesenen Präzision realisieren.“